Auf der Suche nach dem Ländlichen – ein Stadt-Land-Diskurs in zwei Teilen
Die Stadt-Land-Beziehung in den Fokus zu nehmen, ist ein ebenso aktuelles wie weitläufiges Thema. Jedoch kommt es darauf an, die unterschiedlichen Sichtweisen möglichst facettenreich herauszuarbeiten. Der Treffpunkt Architektur Ober- und Mittelfranken der Bayerischen Architektenkammer hat sich in diesem Jahr mit diesem Themenkomplex viel vorgenommen: Was kann man da erwarten? Wem nützt das? Existiert das Konstrukt Stadt-Land überhaupt? Und was hat das mit Architektur zu tun?
Mit diesen und anderen Fragen wurden die Podiumsgäste im gut besuchten Saal des Glashauses an der Nürnberger Königstraße am Abend des frühlingshaften 21. April konfrontiert. Das Team des Architekturclubs Nürnberg hatte drei profunde Gesprächspartner auf das Podium gebeten, die zuerst aus Sicht des Ländlichen eine Annäherung an das Thema wagten und den Weg für eine Weiterführung der Diskussion im Herbst bereiteten – dann aus Sicht des Städtischen.
Armando Ruinelli, der Gast aus der Schweiz, fungierte als Ideengeber. Er brachte beispielhafte Lösungsansätze aus dem beschaulichen Bergdorf Soglio mit, dessen Ortsbild er mit seinen Bauten wesentlich prägt. Der gebürtige Niederbayer Peter Haimerl präsentierte sich als Macher. Er berichtete von seinen Konzerthauserfahrungen in Blaibach und plädierte für eine Neuentdeckung des Bestandes. Ricus Kerckhoff, der ursprünglich aus dem Rheinland stammt, aber für den die Metropolregion Nürnberg längst mehr als nur berufliche Heimat geworden ist, erhellte aus mittelfränkischer Sicht und mit den Erfahrungen als Stadtbaumeister von Schwabach die Diskussion. Die Dresdnerin Friederike Mayer, die berichtete, dass sie schon als Kind von der Großstadt träumte, lebt heute als Architekturjournalistin und Redakteurin der Bauwelt in Berlin. Sie bündelte die Berichte der Eingeladenen und moderierte. Alle Diskutanten waren dem Aufruf der Architekturclubveranstalter gefolgt und hatten „ETWAS“ mitgebracht, das ihre Sicht auf das Thema transportiert. Das waren neben den Bildern einer Dachlandschaft (Ruinelli) und eines Gemäldes (Kerckhoff) erfrischender Weise auch steinerne Fundstücke (jeweils von Mayer und Haimerl). Die machten unter den Zuschauern schnell die Runde, denn was zeigt Material und Ortsverbundenheit besser, als ein echter Stein? Die Überleitung war perfekt, denn der leichte mit dunklem Glasgranulat durchsetzte Betonstein, den Haimerl mitbrachte, ist eigentlich eine Schweizer Erfindung, die in abgewandelter Form beim Blaibacher Konzerthaus zum Einsatz kam und zugleich Anlass zu einem kurzem bautechnischen Exkurs gab.
Die Diskutanten lagen in ihren grundsätzlichen Ansichten zum Ländlichen nicht weit voneinander entfernt. Die Einigkeit über die Ansprüche an Qualität und Handwerklichkeit des ländlichen Bauens brachte die eigentliche Diskussion anfänglich nur schwer in Gang. Die Potentiale, die das Land beispielsweise als Nahrungs- oder Energielieferant haben könnte, wurden angerissen, aber nicht erschöpfend diskutiert. Das war dem überwiegend architektonisch geprägten Blickwinkel der Gäste geschuldet. Das Gespräch kam jedoch in Schwung, als klar angesprochen wurde, dass Standarddetails mehr zur Vollzugshilfe von Gew.hrleistungsansprüchen verkommen, als zum Fortbestand traditioneller Bautechniken beitragen. Aus diesem Bewusstsein heraus plädierte Haimerl erfrischend pointiert für mehr Spielraum für das Unvorhergesehene. Immer vorausgesetzt, dass Planer noch um das Handwerkliche wissen und Handwerker dies umsetzen können. Darin waren sich dann wieder alle einig. Damit das baukulturelle Erbe zwischen Stadt und Land ablesbar bleibt, auch wenn die Bewohner nur temporäre Begleiter des Geschehens sind und kaum einer heute wirklich ausschließlich auf dem Land lebt.
Am 29. Oktober 2015 folgt Teil zwei der Stadt-Land-Debatte beim 24. Architekturclub Nürnberg am gleichen Veranstaltungsort. Die Gäste werden im Sommer bekannt gegeben. FriederikeMayer übernimmt wieder die Moderation.